„Power to the Bauer?“ - Sondersitzung AGRAR: Künstliche Intelligenz
Verfasst von Annabel van Daalen und Martin Schulz am 14.02.2020 unter Unternehmensnews
Die elfte Sondersitzung AGRAR am 13. Februar 2020 hat sich dem Thema „Künstliche Intelligenz“ gewidmet. Über 100 Teilnehmende haben gemeinsam mit Expertinnen und Experten aus Forschung, Politik und Wirtschaft über das Potenzial der Technologie in der Landwirtschaft diskutiert. Die Bildergalerie finden Sie hier.
„Probleme dürfen nicht herbeigeredet werden, sondern wir müssen sie anpacken, wo sie bestehen!“ Mit diesem Appell startete Maximilian von Löbbecke, Geschäftsführer von 365FarmNet, das elfte agrarpolitische Frühstück von Genius. Künstliche Intelligenz (KI) ist ein Tool – oder nur ein neues Buzzword? Diese Frage stand im weiteren Verlauf mehrmals im Mittelpunkt.
Der agrarpolitische Sprecher der CSU-Bundestagsfraktion, Artur Auernhammer, betonte in der seiner Keynote, dass unabhängig von der eingesetzten Technologie die Datenhoheit stets bei den Landwirten liegen müsse. Zudem könnte auf „natürliche“, also menschliche Intelligenz nicht verzichtet werden. Das liege zutiefst in der Bäuerlichkeit begründet.
Ines Härtel, Professorin an der Juristischen Fakultät der Europa-Universität Viadrina, griff dies auf und sagte, KI müsse dem Menschen dienen und „Power to the Bauer“ versprechen, sonst werde sie sich nicht durchsetzen. Momentan sei KI noch fehleranfällig. Manchmal genüge ein einziger Pixel, dass ein Computer nicht mehr zwischen Katze und Avocado-Creme unterscheiden könne. Was zunächst verschmerzbar klinge, könne im Alltag eines Landwirts Folgen haben: Wer trägt zum Beispiel im Schadensfall die Haftung, wenn KI sich irrt, eine Maschine grüne statt roter Tomaten pflückt und so der Ertrag sinkt? Der Landwirt? Der Landtechnikhersteller? Der Softwareentwickler?
Auch müssten Fragen des Datenschutzes stärker bearbeitet werden. Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) stelle die Digitalisierung in der Landwirtschaft vor Herausforderungen, für die es jedoch Lösungen gebe. Wichtig wäre vor allem, einen europäischen Weg zwischen einem wirtschaftsliberalen Ansatz einerseits und einem staatszentralistischen andererseits zu finden. Wenn dies gelinge, könne KI für eine Vielzahl von Aufgaben eingesetzt werden. Härtels Fazit lautete daher, gute KI-Regulierung und guter KI-Einsatz seien ganz im Sinne des „Green Deal“ auf europäischer Ebene und im Sinne der Landwirtschaft.
Dass KI durchaus das Potenzial hat, die Landwirtschaft zu positiv verändern, belegten drei Beispiele aus der Praxis. Sie zeigten, dass KI helfen kann, die Landwirtschaft nachhaltiger („DAKIS“), die Arbeit der Landwirte effizienter („prospective.Harvest“) und den Handel mit Getreide für alle Beteiligten komfortabler („House of Crops“) zu machen.
Engel Hessel, u. a. die Digitalisierungsbeauftragte im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) und Leiterin des Thünen-Instituts für Agrartechnologie, riet in der anschließenden Podiumsdiskussion zum Umgang mit KI: „Don’t miss the use of data, but don’t misuse data.“ Landwirtschaft, Politik und Wirtschaft sollten nicht den Fehler begehen, das Potenzial der KI zu unterschätzen, die Technologie aber auch nicht als Mittel zur Durchsetzung von Eigeninteressen betrachten.
Jörg Migende, Leiter des Bereichs Digital Farming bei der BayWa AG, gab den Sorgen der Landwirte eine Stimme: „Wer kommt am Samstagmittag vorbei, wenn die Software im Traktor nicht funktioniert oder ein Update nicht korrekt installiert wurde?“ Mit Blick auf die öffentliche Hand kritisierte er, dass diese neuerdings unter die Software-Entwickler gehe statt ihre Ressourcen für die ureigenen Aufgaben einzusetzen, z. B. in der Bekämpfung von Cyber-Kriminalität.
Um Lösungen im Sinne der Landwirtschaft und der Landwirte zu entwickeln, müssten Landwirte laut Ansgar Bernardi vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) bei der Entwicklung von KI-basierten Lösungen eingebunden werden. Der Wert ihrer Praxisexpertise müsse wertgeschätzt und genutzt werden. Darüber hinaus griff Bernardi das Thema Fairness mit der Frage auf, welche Systeme der Datennutzung – ob in einem offenen oder geschlossenen System – zu einer fairen Wirtschaftsweise führten, die niemanden übervorteilte, vor allem Landwirte nicht.
Am Ende der Veranstaltung waren sich die Experten einig: Der Umgang mit KI will gelernt sein, doch viel Zeit bleibt nicht. Andere Länder wie Japan schritten zügig voran, berichtete Auernhammer von einer Delegationsreise. Das BMEL, antwortete Hessel, hätte den Bedarf erkannt und fördere bereits eine Reihe von Projekten im Rahmen der Innovationsfelder, ein weiteres Förderprogramm stehe in den Startlöchern. Auch das Weißbuch der EU zur Künstlichen Intelligenz werde am 19.02.2020 veröffentlicht. Man darf also gespannt bleiben!
Wir danken unseren Partnern 365FarmNet, Bayer, FarmFacts und dem U.S. Soybean Export Council (USSEC), der agrarzeitung als Medienpartner sowie dem Deutschen Bauernverband (DBV) als ideellem Partner. Für die fachliche Unterstützung danken wir dem Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft (KTBL).
Das schreiben andere über die Veranstaltung:
- Agra-Europe: Auernhammer drängt auf Erhalt bäuerlicher Strukturen (Bezahlinhalt) - verfügbar auf topagrar.de.
- Leibniz-Forschungsverbund "Nachhaltige Lebensmittelproduktion und gesunde Ernährung": Künstliche Intelligenz in der Agrarwirtschaft
Bei Interesse an der Veranstaltungsreihe und einer Teilnahme wenden Sie sich bitte mit einer E-Mail an agrar@sondersitzung.berlin.
Nächster Termin: Mai 2020, Thema: Eiweißhunger
Unser Hashtag in sozialen Medien: #SondersitzungAGRAR
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