Sondersitzung AGRAR: Halbzeit - Agrarpolitik auf dem Prüfstand
Verfasst von Svenja Brink am 15.11.2019 unter Unternehmensnews
10. Sondersitzung AGRAR – Die Sonderedition zur Halbzeitbilanz der Bundesagrarpolitik im Bundestag war ein voller Erfolg! 115 Teilnehmerinnen und Teilnehmer diskutierten mit. Die Bilder vom Frühstücksgespräch finden Sie hier.
Am 14. November 2019 stellte Genius Berlin mit Experten aus Politik, Wissenschaft, Wirtschaft, Gesellschaft und Medien die Agrarpolitik auf dem Prüfstand. Zu den Themen aus dem Koalitionsvertrag der 19. Wahlperiode des Deutschen Bundestages zogen Bilanz: Prof. Harald Grethe (HU Berlin), Albert Stegemann (MdB, CDU/CSU), Rainer Spiering (MdB, SPD), Friedrich Ostendorff (MdB, Bündnis 90/Die Grünen), Nicole Bauer (MdB, FDP) und Dr. Kirsten Tackmann (MdB, Die LINKE). Per Losverfahren wurde den Politikern je ein Thema zugeteilt, welches sie im Panel eröffneten.
Doch zunächst ging Prof. Harald Grethe in einem Impulsvortrag auf die Kernthemen der Veranstaltung ein: Ökolandbau und Eiweißstrategie, Gemeinsame Agrarpolitik (GAP), Tierwohl und Biodiversität. Die Entwicklung des Ökolandbaus bewertete er als positiv: 2018 lag die Bioanbaufläche bei 9 Prozent, der Ökosektor wachse jährlich um rund 5 Prozent. So könnten 20 Prozent Ökolandbau in Deutschland entsprechend der Nachhaltigkeitsstrategie bis 2030 realistisch erreicht werden. Gleichzeitig stellte er klar, dass der Ökolandbau allein es nicht richten werde: Die Landwirtschaft müsse insgesamt nachhaltiger werden. Wenn der Verzehr tierischer Produkte in Deutschland gleichbleibend hoch bleibe, sei man weiterhin auf Importe angewiesen. Daran änderten auch 2 Prozent Anteil an Körnerleguminosen in der heimischen Produktion nichts. Hinsichtlich der GAP fand Prof. Grethe deutliche Worte und schlug einen Ausstieg aus „Boden- und Eigentumszahlungen“ vor. Stattdessen sollten Gemeinwohlleistungen honoriert werden. Zum Aktionsprogramm Insektenschutz stellte Grethe fest: „100 Millionen Euro sind nicht viel.“ Wenn man Biodiversität ernst nehme, müsse man mehr als umgerechnet 60 Euro pro Hektar ausgeben.
Im Anschluss waren die Politiker dran. Nicole Bauer (FDP) machte den Anfang zu Ökolandbau und Eiweißstrategie. Sie plädierte dafür, Ökolandbau nicht emotional gegen die konventionelle Landwirtschaft auszuspielen. „Wir wollen den Landwirten nicht vorschreiben, wie sie ihr Land bewirtschaften.“ Auch dürfe man den Wettbewerb nicht einschränken. Es gebe nun einmal Länder, die Eiweißpflanzen schneller und billiger produzieren könnten als Deutschland. Friedrich Ostendorff zeigte sich mit den Fortschritten des Ökolandbaus zufrieden. Rund 5 Prozent Wachstum pro Jahr seien genau richtig, denn „sprunghafte Veränderungen wären für so einen kleinen Markt tödlich.“ Kirsten Tackmann wies auf bestehende Herausforderungen hin: Ähnlich wie die konventionelle Landwirtschaft habe der Ökolandbau Probleme mit Vermarktung und Preisen, die nicht existenzsichernd seien.
Rainer Spiering (SPD) hatte Erstspracherecht zur Gemeinsamen Agrarpolitik. Er ging insbesondere auf die Direktzahlungen ein. Diese seien „Eigentumsbelohnung“ und ein „Schlag ins Kontor“ für alle kleineren Betriebe. Stegemann wandte ein, dass die Gelder als Einkommensstütze unerlässlich seien. Deshalb lautete sein Urteil: „Wir brauchen eine starke 1. Säule!“. Kirsten Tackmann forderte, gemeinwohlorientierte Leistungen verpflichtend in der 1. Säule zu integrieren und dabei durch freiwillige Programme auch auf regionale Begebenheiten Rücksicht zu nehmen. Als zentrales Problem bezeichnete sie „landwirtschaftsferne Investoren“, die Ländereien in großen Flächen in Ostdeutschland kauften. Ostendorff pflichtete ihr bei und betonte die Dramatik der Situation.
Kirsten Tackmann übernahm den Auftakt zum Thema Wald und Forstwirtschaft. Sie plädierte dafür, Klein- und Kleinstwaldbesitzer stärker zu unterstützen. Zwar würden derzeit gemeinsam mit den Ländern Wald-Hilfen in Höhe von 800 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, im Grunde sei man nach den Schäden der letzten Sommer jedoch schon zu spät dran. Spiering setzte sich für neue Nutzungsmöglichkeiten von Holz und „Holz als Konstruktionswerkstoff“ ein. So könne auch die CO2-Bilanz durch Holz verbessert werden. Bauer griff dies auf und bemängelte, dass der Sektor Wald für eine CO2-Strategie nicht angemessen mitgedacht werde.
Friedrich Ostendorff eröffnete den vierten Themenblock Tierwohl. Er stellte klar: „Die jetzige Form der Nutztierhaltung ist nicht länger haltbar.“ Spiering sprang bei und unterstrich: „60.000 Schweine an einem Ort ist nicht gut.“ Doch mächtige Akteure, so Ostendorff, die ein hohes ökonomisches Interesse an der derzeitigen Situation hätten, stünden einem umfassenden Wandel im Weg. Allerdings gäbe es auch kleinere Stellschrauben wie beispielsweise eine Änderung der Bauordnung, um Ställe zukunftsfähig zu machen. Letzterem pflichtete Stegemann bei. Zum Tierwohllabel ergänzte er, es handele sich um einen „niedrigschwelligen Einstieg für den Verbraucher“, der so einen Teil der Verantwortung übernehmen könne.
Albert Stegemann leitete das fünfte und letzte Thema, Ackerbaustrategie und Insektenschutz, ein. Er wies darauf hin, dass auch andere Faktoren als die Landwirtschaft einen Einfluss auf die Biodiversität hätten. Denn die landwirtschaftliche Nutzung mache lediglich 50 Prozent der Fläche in Deutschland aus. Wichtig wäre aus Perspektive des Landwirtes und mit Blick auf das Bundesumweltministerium, dass man sich innovativen Pflanzenschutzmitteln nicht in den Weg stelle. Seiner Meinung nach kämen manche Mittel schon „aus ideologischen Gründen nicht in die Zulassung.“ Zudem sprach er sich für den Einsatz neuer Züchtungstechnologien für eine moderne und nachhaltige Landwirtschaft in Deutschland aus. Nicole Bauer äußerte, dass Deutschland und die EU sich zunehmend durch restriktive Pflanzenschutz- und Gentechnikpolitik mit „zusätzlichen Wettbewerbshindernissen“ belegten.
Für große Aufmerksamkeit sorgte eine Frage aus dem Publikum. Die Bedürftigkeitsprüfung sei bei der Grundrentendebatte kein Unwort gewesen, warum also solle eine Bedürftigkeitsprüfung für Landwirte anstelle non-selektiver Direktzahlungen pro Hektar nicht in die GAP-Debatten Eingang finden? Spiering fasste daraufhin zusammen: „Nach dieser Frage bin ich für den Morgen dankbar.“
Wir danken unseren Partnern: 365FarmNet, Bayer und dem U.S. Soybean Export Council. Zudem danken wir unserem Medienpartner, der agrarzeitung, sowie unserem ideellen Partner, dem Deutschen Bauernverband (DBV).
Das schreiben andere über die Veranstaltung:
Bei Interesse an der Veranstaltungsreihe und einer Teilnahme wenden Sie sich bitte mit einer E-Mail an agrar@sondersitzung.berlin.
Nächster Termin: Februar 2020, Thema: Digitalisierung in der Landwirtschaft.
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